Montag, 22. Juni 2015

Griechische Staatsschulden - Illegal, Illegitim und Odious?

Im April dieses Jahres gründete das griechische Parlament einen Untersuchungsausschuss mit dem Namen Truth Committee on Public Debt. Aufgabe des Ausschusses war, die Entstehung und Entwicklung der griechischen Staatsschulden seit 1980 in Hinblick auf mögliche Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Konkret ging es darum, festzustellen, welcher Teil dieser Schulden als illegal, illegitim oder als Odious Debt einzustufen ist. In seinem vorläufigen Bericht kommt nun der Ausschuss zu folgenden Schlussfolgerungen:

Schulden gegenüber dem IWF: sind als illegal einzustufen, weil ihre Gewährung die Statuten des IWF verletzt hat. Sie sind auch illegitim, weil sie Bedingungen voraussetzten, deren Umsetzung Menschenrechtverletzungen zur Folge hatten. Und abschließend sind sie auch odious, weil dem IWF bewusst war, dass die vorgegeben Maßnahmen undemokratisch und unwirksam sein würden und dass sie zu ernsthaften sozial-ökonomischen Verwerfungen führen würden.

Schulden gegenüber der EZB: sind als illegal einzustufen, weil die EZB durch ihre Teilnahme an der Troika ihr Mandat überschritten hat. Gleichzeitig sind diese Schulden illegitim und odious, weil ihr Hauptzweck es war, europäische Banken vom griechischen Risiko zu befreien.

Schulden gegenüber dem ESFS: sind als illegal einzustufen, weil sie Artikel 122(2) des Treaty on the Functioning of the European Union verletzen und weil sie mehrere sozial-ökonomische Rechte und bürgerliche Freiheiten verletzen. Außerdem verhält sich der EFSF anti-demokratisch, sodass diese Schulden auch illegitim und odious sind.

Bilaterale Schulden gegenüber EU Staaten: sind als illegal einzustufen, weil sie die griechische Verfassung verletzen. Diesen Schulden lag klares Fehlverhalten der Gläubiger zu Grunde. EU und Internationales Recht wurden verletzt, um das Thema Menschenrechte bei den ökonomischen Programmen auszuklammern. Diese Schulden sind auch illegitim, weil sie nicht zum Nutzen der griechischen Bevölkerung im Allgemeinen verwendet wurden, sondern lediglich dem Bail-Out privater Gläubiger. Außerdem sind sie odious, weil die Gläubiger Länder und die Europäische Kommission wussten, dass die Umsetzung der Auflagen zu Menschenrechtsverletzungen führen würde.

Schulden gegenüber privaten Gläubigern: sind als illegal einzustufen, weil sich die Gläubiger unverantwortlich verhalten und mangelhafte Risikoprüfung durchgeführt haben. Bei Hedge Fonds ist hinzuzufügen, dass sie mit böser Absicht agiert haben. Aus den gleichen Gründen sind diese Schulden auch illegitim. Außerdem sind sie odious, weil den Gläubigern bewusst war, dass diese Schulden nicht für das Wohl der griechischen Bevölkerung, sondern nur für ihr eigenes Interesse bestimmt waren.

Somit verbleiben keine Schulden, die der Ausschuss nicht als illegal, illegitim oder odious einstuft. Der Ausschuss kommt zum Ergebnis, dass die juristischen Voraussetzungen für eine Nichtanerkennung der griechischen Staatsschulden gegeben sind und empfiehlt der Regierung, Schritte in diese Richtung zu unternehmen.

Mittwoch, 3. Juni 2015

Eine Mögliche Lösung Für Griechenland?

Es ist an der Zeit, dass man aufgibt, von Griechenland Reformen zu verlangen. Ganz offensichtlich führt das zu (fast) nichts. Stattdessen sollte man Griechenland beim Wort nehmen und der Regierung ihre Wünsche/Forderungen erfüllen.Die Tsipras Regierung hat einige Punkte ganz deutlich und verbindlich ausgesprochen: (a) sie möchte von öffentlichen Gläubigern keine neuen Schulden aufnehmen, um bei diesen Gläubigern fällig werdende Schulden zu bezahlen; (b) sie möchte den Schuldendienst (Zinsaufwand) reduzieren bzw. minimieren (vorzugsweise auf null); und (c) sie verspricht ihren Bürgern, NIE WIEDER Kredite aufzunehmen, um Primärausgaben zu finanzieren (Finanzminister Varoufakis hat wiederholt garantiert, dass Griechenland NIE WIEDER ein Primärdefizit verzeichnen wird). Außerdem hat die Regierung von den Institutionen verlangt, den verlangten Primärüberschuss von 3-4% des GDP auf 1,5% zu reduzieren.

Diese Wünsche sind relativ einfach erfüllbar. Von den gesamten Staatsschulden Griechenlands (313 Mrd.EUR per Ende März) sind rund 280 Mrd.EUR bei den öffentlichen Gläubigern (ESM, EZB, IMF und einzelne Staaten). Diese 280 Mrd.EUR sollte man auf 30-50 Jahre endfällig umschulden, d. h. keine Tilgungen in der Zwischenzeit.

1,5% des GDP – d. h. jener Betrag, den Griechenland bereit ist, für den Schuldendienst (Zinsen) aufzuwenden – entsprechen auf Basis der Ziffern für 2014 genau 5,5% der ordentlichen Netto-Steuereinnahmen des Staates (vor Privatisierungserlösen). Das wären 2014 ca. 2,7 Mrd.EUR gewesen, also ausreichend, um die privaten Gläubiger zu bedienen und einen kleinen Betrag für die öffentlichen Gläubiger bereitzustellen (d. h. minimale Zinsen für die öffentlichen Gläubiger).

Man sollte Griechenland verpflichten, auf Dauer 5,5% der ordentlichen Netto-Steuereinnahmen für den Zinsaufwand bereitzustellen, d. h. genau jenen Betrag, den sie gefordert hat. In dem Maße, indem die Steuereinnahmen steigen (was angesichts der von der Regierung angekündigten Maßnahmen bald der Fall sein wird), werden auch die Zinserträge für die offiziellen Gläubiger steigen.

Damit wären alle Wünsche Griechenlands voll befriedigt: keine Tilgungen bei öffentlichen Kreditgebern für die nächsten 30-50 Jahre; anfangs nur minimale Zinszahlung (nahezu null); und ein Zinsaufwand, der bei 5,5% der ordentlichen Netto-Steuereinnahmen eingefroren wird (d. h. 1,5% des GDP). Die öffentlichen Gläubiger könnten sogar freiwillig einen Schritt weitergehen und den Zinsauswand während der ersten 5 Jahre thesaurieren, d. h. dem Kreditkapital hinzuschreiben.

Welche Auflagen sollten die öffentlichen Gläubiger machen? Keine Reformen, keine Gehalts- und Pensionskürzungen, keine Privatisierungen! Nur eine einzige Auflage wäre erforderlich: KEINE NEUEN STAATSSCHULDEN VON WEM AUCH IMMER OHNE DIE EXPLIZITE BEWILLIGUNG DER INSTITUTIONEN!

Auch für die öffentlichen Gläubiger wäre das ein gutes Geschäft. Mit Kapitalrückzahlungen wäre in den nächsten Jahrzehnten ohnehin nicht zu rechnen, aber ein Schuldenverzicht, der die Steuerzahler hart treffen würde, wäre vermieden. Die reduzierten Zinserträge (selbst null-Zinsen) wären in der derzeitigen Zinsenlandschaft in den nationalen Budgets kaum spürbar. Und – man müsste kein gutes Geld mehr dem schlechten nachschicken.

Griechenland wäre allerdings jetzt unter Leistungsdruck. Sollten die Netto-Steuereinnahmen nicht die Primärausgaben decken (nach Abzug der 5,5% Zinsen), dann gäbe es keine neuen Kredite mehr. Vielmehr müsste Griechenland jene Reformen machen, die laut der Regierung sehr wirksam sein werden. Sollten diese Reformen nicht greifen, dann müsste die Regierung aus eigener Initiative (und nicht wegen des Drucks der Institutionen) die Primärausgaben reduzieren.

Kurz und gut: Griechenland hätte seinen größten Wunsch erfüllt: es wäre finanziell wieder mehr oder weniger souverän. Und die öffentlichen Gläubiger hätten den großen Vorteil, argumentieren zu können, dass sie Griechenland alle seine Wünsche/Forderungen erfüllt haben. Sollte das immer noch nicht reichen, damit der griechische Staat finanziell über die Runden kommt, dann würde das eindeutig an Griechenland selbst liegen.

Originalveröffentlichung hier.