Donnerstag, 6. November 2014

Austrian Acrobatics in Europe

"When Austrians are asked about their place in the EU, they often answer that theirs is a tiny country between East and West that is conflict averse and obsessed with neutrality after many wars in the twentieth century. Austrians see themselves as ultrapragmatists who never take a stand except when it comes to promoting their business interests. Muddling through is second nature to them".

Austrian acrobatics in Europe, Carnegie Europe

Dienstag, 4. November 2014

Deutsche, Kauft Mehr Griechisches Hightech!

Vor Jahren hatte es Zeiten gegeben, als ich dachte, Peter Michael Lingens und Christian Ortner wären sich in weltanschaulichen Themen recht ähnlich. Damit ist es vorbei, seitdem Lingens Deutschland zum Hauptproblem Europas erkoren hat (PROFIL vom 25.10.2014) und Ortner daraufhin diesen Artikel mit spitzer Zunge als „originelle Theorie“ würdigte (Die Presse vom 31.10.2014). Selten hat man Gelegenheit, die beiden Argumentationslinien, die heutzutage Ökonomen von nah und fern auseinander dividieren, in so klarer und eloquenter Art und Weise dargestellt zu bekommen. Auf der einen Seite ein gemilderter Elder Journalist, der sich im Alter ganz offensichtlich viel mit John Maynard Keynes und mit dem „new economic thinking“ progressiver, größtenteils angelsächsischer Intellektueller beschäftigt. Auf der anderen Seite das kompromisslose Sprachrohr des Neoliberalismus.

Die „new economic thinker“ verfügen über eine wettbewerbsverzerrende Trumpfkarte: manche ihrer Argumente klingen so plausibel, so verführerisch einfach, dass man gar nicht erst auf den Gedanken kommt, sie inhaltlich zu hinterfragen. Lingens erklärt der Welt „schon zum x-ten Mal“, dass Anhänger des Austerity-Paktes die Grundrechnungsarten nicht beherrschen; dass die Wirtschaft schrumpfen muss, wenn alle Staaten ihre Ausgaben zurückfahren („Wenn fünf Zuschauer in einem Kino aufstehen, sehen sie besser als der Rest. Aber wenn alle aufstehen, ist die Sicht wieder für alle gleich – nur haben sie es sehr viel unbequemer“). Etwas verklärt erinnert sich Lingens an die eherne Formel des seinerzeitigen ÖGB-Präsidenten Anton Benya, dass „drei Prozent Produktivitätssteigerung drei Prozent Lohnsteigerung sein müssen“ und er erkennt darin mehr volkswirtschaftliches Verständnis, als derzeit bei Angela Merkels Beratern zu finden ist. Und wenn sogar Renault-Motoren vier Mal die Formel 1 vor Mercedes oder BMW gewinnen, dann ist wohl alles über die Leistungsfähigkeit der französischen Wirtschaft gesagt.

Im Vergleich dazu ist Ortner ein wahrhaftiger Kleindenker, wenn er die Frage stellt, warum der Bau einer unnötigen neuen Autobahn in Deutschland auf Pump dem Verkauf wenig wettbewerbsfähiger französischer Autos irgendwie helfen könnte (meines Wissens baut Frankreich heute nur halb so viele Autos wie vor 10 Jahren und in Italien ist es nicht viel besser, obwohl auch Italien in der Formel 1 erfolgreich war).

Die deutsche Wirtschaft steht in der Tat vor großen Herausforderungen; vielleicht sogar vor großen Problemen. Die unzureichende Hilfestellung für seine europäischen Partner gehört eher nicht dazu. Wenn man Hans-Olaf Henkel Glauben schenken darf, dann hat der Euro der deutschen Wirtschaft nicht gut getan, weil Deutschland sich mit dem Vorteil eines billigen Euro (zumindest billiger als es die D-Mark wäre) und mit dem Rückenwind der Versäumnisse seiner Eurozonen-Partner (und vormaligen großen Mitbewerber) nicht mehr so anstrengen musste wie in Zeiten der D-Mark. Stichworte: unzureichende Innovationen und Investitionen, vor allem auch Investitionen in Bildung. Von 2000-13 gingen die Investitionen in Deutschland von 22% des GDP auf 17% zurück. Die Anzahl der Lehrstellen ist auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Der Anteil der Universitätsabsolventen ist in Deutschland (29%) niedriger als in Griechenland (34%). Nur wenige deutsche Universitäten schaffen es unter die 50 besten der Welt. Im „Doing Business Report“ der Weltbank rangiert Deutschland auf Platz 111 mit Bezug auf die Bürokratie bei Unternehmensgründungen. Und ja, Deutschlands Löhne und Gehälter sind in Summe seit dem Euro real nicht viel gestiegen, obwohl die Produktivität um 17% gestiegen ist (Anton Benya lässt grüßen). Wenn man all dies vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung Deutschlands betrachtet, dann muss man sich an das Buch von Hans-Werner Sinn erinnern, wo er vor 10 Jahren die Frage stellte „Ist Deutschland noch zu retten?“

Es also in der Tat nicht alles heil in Deutschland, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass es in der erfolgreichsten Volkswirtschaft Europas Millionen von Arbeitnehmern gibt, deren Einkommen nicht weit über dem Existenzminimum liegt. Allerdings ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, weshalb sich eine Heilung der deutschen Probleme direkt zum Vorteil seiner Eurozonen-Partner auswirken würde. Im Gegenteil, die schwächeren Eurozonen-Partner scheinen sich doch eher zu wünschen, dass Deutschland schwächer werden möge und nicht noch stärker.

Wenn Frankreich vorschlägt, dass es selbst 50 Milliarden Euro sparen würde, wenn Deutschland 50 Milliarden Euro mehr ausgibt, dann ist das gar nicht so falsch, weil der Hintergedanke ist, dass Deutschland die zusätzlichen 50 Milliarden Euro in Frankreich ausgeben sollte, damit dort die Anpassungen leichter zu verkraften sind. Das könnte schon funktionieren, allerdings nicht so, wie es sich die Franzosen aller Wahrscheinlichkeit vorstellen.

Deutschland könnte Wunder für seine Eurozonen-Partner bewirken, wenn es seine Importe von außerhalb der Eurozone in die Eurozone verlagern würde. Es gibt jedoch keinen Import-Zar in Deutschland, der in einem Zentralkomitee bestimmt, was von wo importiert wird. Und vor allem gibt es kein Importverbot für Eurozonen-Partner. Stattdessen ist es die Vielzahl der deutschen Unternehmen und Verbraucher, die ihre eigenen Entscheidungen treffen, was sie aus welchem Land importieren wollen.

Die deutsche Exportbesessenheit ist vielen ein Dorn im Auge. Der Ausdruck „Beggar-thy-neighbor-Politik“, der zum Standardrepertoire vieler „new economic thinker“ gehört, unterstellt Deutschland, seine Exporterfolge zu Lasten seiner Eurozonen-Partner zu erzielen. Mit Fakten ist das allerdings nicht zu unterlegen, weil Deutschlands Anteil an weltweiten Exporten von 9,1% (2007) auf 8% (2013) gesunken ist. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass mittlerweile ein ganz erheblicher Teil der deutschen Exporte aus ausländischer Wertschöpfung besteht (Hans-Werner Sinn nannte Deutschland deshalb einmal eine Basar-Ökonomie). Es kann einfach nicht zum Vorteil der Eurozone sein, wenn man von einem wichtigen Mitgliedsstaat erwartet, Anteile am Weltmarkt abzugeben.

Wie gesagt: die deutsche Wirtschaft könnte für die Eurozone Wunder bewirken, wenn sie ihre Importe aus Eurozonen-Ländern massiv steigern würde. Es gibt kein Verbot, dies zu tun. Man wird sich nur überlegen müssen, was zu tun ist, dass deutsche Verbraucher (wieder) mehr Autos aus Frankreich und Italien kaufen (und zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht sogar iPhones aus Griechenland). Wer diese Frage an Deutschland adressiert, hat sich in der Adresse geirrt.

Originalveröffentlichung hier.