Montag, 27. Januar 2014

Was, bitte, raucht Herr Swoboda?

Hannes Swoboda (MEP und Fraktionsvorsitzender der EU-Sozialdemokraten) wird in den Medien folgendermaßen zitiert: „Kein Bürger Europas verlor auch nur einen einzigen Cent bei der Hilfe für Griechenland“. Er sagte dies bei einem Vortrag in Thessaloniki, wo sich anschließend sicherlich viele Griechen fragten, ob sie denn auch zu den Bürgern Europas gehören. Immerhin hatten sie beim griechischen Schuldenschnitt rund 40 Mrd.EUR verloren.

Rein formal hat Swoboda sogar nicht unrecht: der Schuldenschnitt hat nicht direkt die Bürger getroffen, sondern primär private Gläubigerbanken. Es verwundert, dass Swoboda nicht auch argumentiert hat, die Bürger Deutschlands hätten bisher enorm von Griechenland profitiert (niedrigere Zinsen auf eigene Staatsschulden und Zinsmargen auf Rettungskredite). Auch das wäre formal nicht ganz falsch. Aber: auch die Kreditgeber der Alpine-Gruppe hatten bei ihren Finanzierungen ganz gut verdient — bis sie ihre Kredite abschreiben mussten. Swoboda’s O-Töne (“Wir brauchen Griechenland und Griechenland braucht uns“; „Wir brauchen ein Europa der Solidarität“) werden viele Bürger Mitteleuropas nicht überzeugen. Der Wiener Universitätsprofessor Erich W. Streissler hatte zu Beginn der Krise einmal die Gegenfrage gestellt: „Was gehen uns die Griechen an?“ Solidaritätsbekenntnisse alleine dienen nicht als Antwort auf diese Frage.

Die gesamte griechische Volkswirtschaft schuldet dem Ausland über 420 Mrd.EUR. Die Griechen gehen das Ausland dann etwas an, wenn das Ausland hofft, zumindest einen Teil dieser Schulden jemals getilgt zu bekommen. Wäre das Ausland bereit sein, diese Schulden abzuschreiben, dann könnte man die Griechen durchaus alleine lassen. Swoboda verteufelt die Troika, weil sie bisher Griechenland nicht geholfen hat. Dabei verkennt er die Rolle der Troika. Die Troika ist eine Einrichtung, die in erster Linie Gläubigerinteressen vertritt und diese Aufgabe hat sie bravorös erfüllt: der Primärsaldo (ohne Zinsen) Griechenlands war 2013 im Plus und – vielleicht noch wichtiger – auch die Leistungsbilanz erreichte 2013 einen positiven Saldo.

Aus der Sicht der Gläubiger bedeutet dies, dass zwar das schlechte Geld schon dort ist, aber man muss ihm kein gutes Geld mehr nachschicken. Swoboda gehört zu jenen, die meinen, mit etwas mehr Spielraum in der Fiskalpolitik hätte man Griechenland viel Leid ersparen können. Kurzfristig ja; längerfristig nie und nimmer! Griechenland unterscheidet sich von anderen Ländern nicht nur durch den überbordenden öffentlichen Sektor, sondern auch dadurch, dass die griechische Wirtschaft eine vollkommen unzureichende, eigene Wertschöpfungskapazität hat. Griechen bevorzugen den nicht-produktiven Sektor (Cafés, Tavernen, Geschäfte, etc.). Selbst nach 4 Jahren Wirtschaftskrise sind unverändert 9 von 10 Firmengründungen im nicht-produktiven Sektor. Die Produkte, die griechische Konsumenten genießen wollen, sind größtenteils importiert. Griechenlands Wirtschaftsstrukturen sind nach wie vor jenen eines Entwicklungslandes sehr ähnlich. Will man von einer solchen Volkswirtschaft jemals seine Kredite zurückbekommen, dann muss man prüfen, wie man Wertschöpfung ins Land bekommen kann, damit sich das Land das nötige Geld selbst verdienen kann. Ein solches Vorhaben erfordert einen langfristig angelegten, volkswirtschaftlichen Entwicklungsplan und dies ist nicht die Aufgabe der Troika.

Im Gegenteil, dies wäre die Aufgabe der griechischen Politik mit aktiver Unterstützung der EU-Politik, wobei der Schwerpunkt sein müsste, Incentives für Auslandsinvestitionen im griechischen Privatsektor voranzutreiben. Es ist mir nicht bekannt, dass Herr Swoboda und/oder andere EU-Politiker jemals einen solchen Plan vorgeschlagen haben. Von der griechischen Politik ganz zu schweigen. Alle wollen ganz einfach dem griechischen Staat mehr Geld geben. Schweizer Banken würden sich darüber freuen, weil bei ihnen ein erheblicher Anteil dieser Gelder landen würde, dass aber der griechische Staat die verbleibenden Gelder sinnvoll investieren würde, ist eine Illusion. Seit seiner Unabhängigkeit war Griechenland immer auf finanzielle Impulse aus dem Ausland angewiesen, um seine Bevölkerung beschäftigen zu können und um einen Lebensstandard zu gewährleisten.

Das ist heute nicht anders. Ein Großteil der ausländischen Gelder wurde immer zweckentfremdet verwendet (bzw. ganz einfach verschwendet) und der griechische Staat war immer eine wichtige Drehscheibe in diesem Prozess.

Wollte man diesen Prozess korrigieren, dann müsste man die Gelder an der staatlichen Drehscheibe vorbeischleusen und sie zweckbestimmt im produktiven Privatsektor einsetzen. Griechenland müsste die strukturellen Voraussetzungen schaffen, dass es für Auslandsinvestoren wirtschaftlich Sinn macht, im griechischen Privatsektor zu investieren und die EU müsste die Voraussetzungen schaffen, dass Auslandsinvestoren zu solchen Investitionen bereit sind (z. B. umfangreiche Absicherungen gegen das politische Risiko inklusive Grexit). Griechenland kann die Transformation von einer korrupten, parasitären Vetternwirtschaft in eine leistungsfähige, selbsttragende und marktorientierte Privatwirtschaft alleine nicht schaffen. Da fehlt einfach das Know-How.

Dieses Know-How kann nur durch Privatinvestoren nach Griechenland kommen, wenn es denn in einem überschaubaren Zeitraum kommen soll. Will man sein Geld von Griechenland zurückbekommen, dann muss man zuerst die griechische Volkswirtschaft stark machen. Will man das nicht tun, dann muss man seine Kredite früher oder später abschreiben.


Originalveröffentlichung hier.

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