Montag, 15. Dezember 2014

Neue Eurokrise Unterm Weihnachtsbaum

Am 4. September 1970 erzielte Salvator Allende, Kandidat der Sozialisten, Kommunisten und kleineren Linksparteien, bei den chilenischen Präsidentschaftswahlen 36,3% der Stimmen. Dies reichte aus, um ihn anschließend zum ersten demokratisch gewählten, kommunistischen Staatschef zu küren.

Ende Jänner 2015 werden in Griechenland aller Wahrscheinlichkeit nach vorgezogene Neuwahlen stattfinden. Alexis Tsipras, Kandidat einer Gruppierung von Linksparteien (SYRIZA), wird aller Wahrscheinlichkeit nach daraus als Sieger hervorgehen. Sein Stimmenanteil wird laut Umfragen zwischen 30-35% liegen. Dies sollte ausreichen, um ihn zum ersten demokratisch gewählten, linksradikalen (mit kommunistischem Hintergrund) Regierungschef eines EU Mitgliedstaates zu küren.

Allende hatte Chile in wirtschaftliches Chaos gestürzt. Trotzdem wird er bis ans Ende der Zeit Liebling aller progressiven Studenten und vieler Intellektueller bleiben. Nicht Allende ist gescheitert, so deren Argumentation, sondern die bösen Mächte dieser Welt haben ihn zum Scheitern gebracht. Tsipras wird ebenso als griechischer Held in die Geschichte eingehen. Entweder, weil er scheitert (…die bösen Mächte dieser Welt…) oder, und vor allem, wenn er Erfolg hat.

Auslöser für die vorgezogenen Neuwahlen wird wahrscheinlich die bevorstehende Neuwahl eines Staatspräsidenten sein, an und für sich ein rein repräsentatives Amt ohne politische Macht. Der Staatspräsident wird vom Parlament gewählt und seine Wahl erfordert eine 60%-ige Mehrheit unter den Abgeordneten. Sollte kein Kandidat diese 60% erreichen, kommt es laut Verfassung zu sofortigen Neuwahlen. SYRIZA, die größte Oppositionspartei, hat bereits angekündigt, jeden Kandidaten abzulehnen, um Neuwahlen zu provozieren. Entscheidend für den Ausgang der Präsidentschaftswahl wird das Wahlverhalten der kleineren Oppositionsparteien sein. Offiziell haben alle Oppositionsparteien verlautbart, jeden Kandidaten abzulehnen. Am 29. Dezember findet der dritte und letzte Wahlgang statt.

Sollte Tsipras in der Tat an die Macht kommen und eine Regierung bilden, dann grenzte es an ein Wunder, würde diese Regierung auch nur 3 Monate überleben. Tsipras verfolgte bisher zwei verschiedene Sprachregelungen: eine sehr radikale Sprachregelung für seine griechischen Anhänger und Wähler (denen er versprach, sämtliche Kreditvereinbarungen mit der EU aufzukündigen bzw. „zu zerreissen“, der Austerität sofort ein Ende zu setzen und wieder für soziale Gerechtigkeit zu sorgen) und eine andere Sprachregelung für internationale Investoren, die er zu überzeugen versuchte, dass sie von einer SYRIZA Regierung nichts zu befürchten hätten.

Tsipras wird sich an seinem Wahlerfolg nur wenige Wochen erfreuen können. Ende Februar läuft das EU Hilfsprogramm für Griechenland aus und Tsipras wird Farbe bekennen müssen. Entweder hält er sein Versprechen gegenüber seinen Anhängern und Wählern oder er hält jenes gegenüber den internationalen Investoren. Die Möglichkeit eines Mittelweges ist nicht zu erkennen. Sollte Tsipras den internationalen Investoren den Vorrang geben (alles andere würde den sofortigen Zusammenbruch Griechenlands bedeuten), dann verliert er ca. 1/3 seiner radikalen Unterstützer sofort und die Regierung würde scheitern. Sollte es Tsipras trotzdem gelingen, sich aus diesem Dilemma erfolgreich zu befreien, dann wären ihm in der Tat große Erfolge für Griechenland zuzutrauen.

Die Regierung setzt alles auf ihr wirkungsvollstes Instrument – Angstmache. Zu einer SYRIZA Regierung würde es gar nicht erst kommen, so die Regierung, weil vorher schon ein Bankenrun den Zusammenbruch des Bankensystems einleiten würde. Als Konsequenz müsste Griechenland aus der Eurozone austreten. Ausdrücke wie „Grexit“ oder „Depositenflucht“ sind wieder in aller Munde und könnten sich noch vor der Wahl als sich selbst erfüllende Prophezeiungen entlarven.

Rund 60% der Griechen wollen laut Umfragen keine Neuwahlen und ein ebenso großer Anteil der Griechen möchte den Euro behalten. Dass diese zwei Faktoren vielleicht doch noch ein Überleben der jetzigen Regierung ermöglichen, ist also nicht ganz auszuschließen. Wenn allerdings die Regierung die Präsidentschaftswahl nicht überlebt, dann steht Griechenland mit großer Wahrscheinlichkeit vor chaotischen Zeiten. Die Eurozone möglicherweise auch.

Originalveröffentlichung hier

Donnerstag, 6. November 2014

Austrian Acrobatics in Europe

"When Austrians are asked about their place in the EU, they often answer that theirs is a tiny country between East and West that is conflict averse and obsessed with neutrality after many wars in the twentieth century. Austrians see themselves as ultrapragmatists who never take a stand except when it comes to promoting their business interests. Muddling through is second nature to them".

Austrian acrobatics in Europe, Carnegie Europe

Dienstag, 4. November 2014

Deutsche, Kauft Mehr Griechisches Hightech!

Vor Jahren hatte es Zeiten gegeben, als ich dachte, Peter Michael Lingens und Christian Ortner wären sich in weltanschaulichen Themen recht ähnlich. Damit ist es vorbei, seitdem Lingens Deutschland zum Hauptproblem Europas erkoren hat (PROFIL vom 25.10.2014) und Ortner daraufhin diesen Artikel mit spitzer Zunge als „originelle Theorie“ würdigte (Die Presse vom 31.10.2014). Selten hat man Gelegenheit, die beiden Argumentationslinien, die heutzutage Ökonomen von nah und fern auseinander dividieren, in so klarer und eloquenter Art und Weise dargestellt zu bekommen. Auf der einen Seite ein gemilderter Elder Journalist, der sich im Alter ganz offensichtlich viel mit John Maynard Keynes und mit dem „new economic thinking“ progressiver, größtenteils angelsächsischer Intellektueller beschäftigt. Auf der anderen Seite das kompromisslose Sprachrohr des Neoliberalismus.

Die „new economic thinker“ verfügen über eine wettbewerbsverzerrende Trumpfkarte: manche ihrer Argumente klingen so plausibel, so verführerisch einfach, dass man gar nicht erst auf den Gedanken kommt, sie inhaltlich zu hinterfragen. Lingens erklärt der Welt „schon zum x-ten Mal“, dass Anhänger des Austerity-Paktes die Grundrechnungsarten nicht beherrschen; dass die Wirtschaft schrumpfen muss, wenn alle Staaten ihre Ausgaben zurückfahren („Wenn fünf Zuschauer in einem Kino aufstehen, sehen sie besser als der Rest. Aber wenn alle aufstehen, ist die Sicht wieder für alle gleich – nur haben sie es sehr viel unbequemer“). Etwas verklärt erinnert sich Lingens an die eherne Formel des seinerzeitigen ÖGB-Präsidenten Anton Benya, dass „drei Prozent Produktivitätssteigerung drei Prozent Lohnsteigerung sein müssen“ und er erkennt darin mehr volkswirtschaftliches Verständnis, als derzeit bei Angela Merkels Beratern zu finden ist. Und wenn sogar Renault-Motoren vier Mal die Formel 1 vor Mercedes oder BMW gewinnen, dann ist wohl alles über die Leistungsfähigkeit der französischen Wirtschaft gesagt.

Im Vergleich dazu ist Ortner ein wahrhaftiger Kleindenker, wenn er die Frage stellt, warum der Bau einer unnötigen neuen Autobahn in Deutschland auf Pump dem Verkauf wenig wettbewerbsfähiger französischer Autos irgendwie helfen könnte (meines Wissens baut Frankreich heute nur halb so viele Autos wie vor 10 Jahren und in Italien ist es nicht viel besser, obwohl auch Italien in der Formel 1 erfolgreich war).

Die deutsche Wirtschaft steht in der Tat vor großen Herausforderungen; vielleicht sogar vor großen Problemen. Die unzureichende Hilfestellung für seine europäischen Partner gehört eher nicht dazu. Wenn man Hans-Olaf Henkel Glauben schenken darf, dann hat der Euro der deutschen Wirtschaft nicht gut getan, weil Deutschland sich mit dem Vorteil eines billigen Euro (zumindest billiger als es die D-Mark wäre) und mit dem Rückenwind der Versäumnisse seiner Eurozonen-Partner (und vormaligen großen Mitbewerber) nicht mehr so anstrengen musste wie in Zeiten der D-Mark. Stichworte: unzureichende Innovationen und Investitionen, vor allem auch Investitionen in Bildung. Von 2000-13 gingen die Investitionen in Deutschland von 22% des GDP auf 17% zurück. Die Anzahl der Lehrstellen ist auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Der Anteil der Universitätsabsolventen ist in Deutschland (29%) niedriger als in Griechenland (34%). Nur wenige deutsche Universitäten schaffen es unter die 50 besten der Welt. Im „Doing Business Report“ der Weltbank rangiert Deutschland auf Platz 111 mit Bezug auf die Bürokratie bei Unternehmensgründungen. Und ja, Deutschlands Löhne und Gehälter sind in Summe seit dem Euro real nicht viel gestiegen, obwohl die Produktivität um 17% gestiegen ist (Anton Benya lässt grüßen). Wenn man all dies vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung Deutschlands betrachtet, dann muss man sich an das Buch von Hans-Werner Sinn erinnern, wo er vor 10 Jahren die Frage stellte „Ist Deutschland noch zu retten?“

Es also in der Tat nicht alles heil in Deutschland, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass es in der erfolgreichsten Volkswirtschaft Europas Millionen von Arbeitnehmern gibt, deren Einkommen nicht weit über dem Existenzminimum liegt. Allerdings ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, weshalb sich eine Heilung der deutschen Probleme direkt zum Vorteil seiner Eurozonen-Partner auswirken würde. Im Gegenteil, die schwächeren Eurozonen-Partner scheinen sich doch eher zu wünschen, dass Deutschland schwächer werden möge und nicht noch stärker.

Wenn Frankreich vorschlägt, dass es selbst 50 Milliarden Euro sparen würde, wenn Deutschland 50 Milliarden Euro mehr ausgibt, dann ist das gar nicht so falsch, weil der Hintergedanke ist, dass Deutschland die zusätzlichen 50 Milliarden Euro in Frankreich ausgeben sollte, damit dort die Anpassungen leichter zu verkraften sind. Das könnte schon funktionieren, allerdings nicht so, wie es sich die Franzosen aller Wahrscheinlichkeit vorstellen.

Deutschland könnte Wunder für seine Eurozonen-Partner bewirken, wenn es seine Importe von außerhalb der Eurozone in die Eurozone verlagern würde. Es gibt jedoch keinen Import-Zar in Deutschland, der in einem Zentralkomitee bestimmt, was von wo importiert wird. Und vor allem gibt es kein Importverbot für Eurozonen-Partner. Stattdessen ist es die Vielzahl der deutschen Unternehmen und Verbraucher, die ihre eigenen Entscheidungen treffen, was sie aus welchem Land importieren wollen.

Die deutsche Exportbesessenheit ist vielen ein Dorn im Auge. Der Ausdruck „Beggar-thy-neighbor-Politik“, der zum Standardrepertoire vieler „new economic thinker“ gehört, unterstellt Deutschland, seine Exporterfolge zu Lasten seiner Eurozonen-Partner zu erzielen. Mit Fakten ist das allerdings nicht zu unterlegen, weil Deutschlands Anteil an weltweiten Exporten von 9,1% (2007) auf 8% (2013) gesunken ist. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass mittlerweile ein ganz erheblicher Teil der deutschen Exporte aus ausländischer Wertschöpfung besteht (Hans-Werner Sinn nannte Deutschland deshalb einmal eine Basar-Ökonomie). Es kann einfach nicht zum Vorteil der Eurozone sein, wenn man von einem wichtigen Mitgliedsstaat erwartet, Anteile am Weltmarkt abzugeben.

Wie gesagt: die deutsche Wirtschaft könnte für die Eurozone Wunder bewirken, wenn sie ihre Importe aus Eurozonen-Ländern massiv steigern würde. Es gibt kein Verbot, dies zu tun. Man wird sich nur überlegen müssen, was zu tun ist, dass deutsche Verbraucher (wieder) mehr Autos aus Frankreich und Italien kaufen (und zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht sogar iPhones aus Griechenland). Wer diese Frage an Deutschland adressiert, hat sich in der Adresse geirrt.

Originalveröffentlichung hier.

Montag, 29. September 2014

Die Herrschaft der Notenbanken

Eine Notenbankbilanz sieht nicht anders aus als die Bilanz einer Geschäftsbank: sie hat Aktiva (Vermögenswerte) auf der linken Seite der Bilanz und auf der rechten Seite Passiva (Schulden) und Eigenkapital. Eine Notenbank (sei es die EZB, die Fed oder die Schweizer Nationalbank) funktioniert jedoch vollkommen anders als eine Geschäftsbank. Wenn eine Geschäftsbank ihre Refinanzierung verliert, weil ihre „Schuldner“ (Sparer, Anleger, inter-bank Gläubiger, etc.) massiv ihr Geld abziehen, dann wird die Geschäftsbank illiquide. Wenn ihr Eigenkapital negativ wird, muss sie Konkurs anmelden. Eine Notenbank hingegen kann (in ihrer Landeswährung) weder illiquide werden noch in Konkurs gehen. Und daraus entsteht die Herrschaft der Notenbanken. Zu den Passiven einer Notenbank gehören Banknoten im Umlauf und Giroeinlagen von Banken. Buchhalterisch sind das „Schulden“, es sind jedoch Schulden, die nur mit neuen Schulden eingelöst werden können. Ein Privater, der zur Notenbank geht, weil er beispielsweise seine 100 Euro zurückhaben will, verlangt von der Notenbank, dass sie ihre „Schulden“ ihm gegenüber tilgt. Als Schuldentilgung bekommt der Private jedoch wieder — 100 Euro. Wenn Bank A eine Mrd.EUR von der EZB abzieht und sie auf ihr Konto bei Bank B überweist, dann wurden die EZB-Schulden gegenüber Bank A getilgt. Alles, was jedoch die EZB macht, ist, dass sie das Guthabenkonto, das Bank A bei ihr unterhält, belastet und das Guthabenkonto, das Bank B bei ihr unterhält, erkennt. Alle Geschäftsbanken sind „gefangene“ Kunden der Notenbank. Zahlungsausgänge bedeuten für die Notenbank lediglich eine Umbuchung auf Konten, die bei ihr unterhalten werden. Ebenso kann die Notenbank unbegrenzt Landeswährung in den Markt „pumpen“: sie bucht beispielsweise auf ihrer Aktivseite „Kredite an Banken“ und auf ihrer Passivseite „Giroguthaben von Banken“. Kurz: eine Notenbank kann in ihrer Landeswährung nie illiquide werden, weil sie jedes Geld, das sie braucht, selbst schöpfen kann (und natürlich auch, weil sie das Monopol über ihre Landeswährung hat). Notenbanken unterliegen nicht dem Aktienrecht, sondern einem eigenen Notenbankgesetz. Eine Aktiengesellschaft muss bei negativem Eigenkapital Konkurs anmelden. Ein Notenbankgesetz verlangt weder ein positives Eigenkapital noch eine Nachschusspflicht seitens der Eigentümer. Notenbanken sind auch mit negativem Eigenkapital voll funktionsfähig in ihrer Landeswährung, weil sie nicht illiquide werden können.

Der Vorstand einer Notenbank besteht aus Menschen wie auch die Vorstände von normalen Banken/Unternehmen. Warum sollen sich die „Menschen“ einer Notenbank ganz anders verhalten als die „Menschen“ eines normalen Unternehmens. Wenn Vorstände von normalen Unternehmen sich nie Sorgen über Illiquidität und/oder Insolvenz machen müssten, würden sie sich wahrscheinlich anders verhalten. Vor allem, wenn sie wüssten, dass ihnen ihr Eigentümer nichts antun kann.

Diese Sorgen haben die Vorstände von Notenbanken nicht, weil sie – wie bereits dargestellt – weder illiquide noch insolvent werden können und weil sie – laut Notenbankgesetz – vom Eigentümer unabhängig bleiben müssen. Würde eine Geschäftsbank 80% ihrer Aktiva in Fremdwährung halten und diese mit Landeswährung finanzieren, dann hätte sie ein unvertretbares (und nicht erlaubtes) Risiko. Die Schweizer Nationalbank hat beispielsweise mehr als 80% ihrer Aktiva in Devisen und finanziert diese mit Landeswährung, d. h. mit CHF-Schulden gegenüber Banken. Außerdem beinhalten diese Devisenreserven einen Anteil von Unternehmensaktien/-anleihen von rund 20%. Das sind immerhin rund 90 Mrd.CHF, die die SNB (eine Notenbank!) in Unternehmensaktien/-anleihen investiert hat. Kurz und gut: Notenbanken können in ihrer Landeswährung tun und lassen, was sie wollen. Sie können Geld unbeschränkt in den Markt pumpen und es auch aus dem Markt abziehen. Sie können die Zinsen erhöhen oder reduzieren. Sie können indirekt in die Fiskalpolitik eingreifen. Sie unterliegen keinerlei äußeren Zwängen wie z. B. dem Erfordernis von Liquidität oder Solvabilität. Ihr einziger äußerer Zwang ist ihre Glaubwürdigkeit. Sollte eine Notenbank ihre Glaubwürdigkeit einbüßen, dann verliert sie ihre Funktionsfähigkeit und ihre Landeswährung bricht zusammen. Milton Friedman hat dieses System einmal folgendermaßen kritisiert: „Ein System, das so viel Macht und Diskretion einigen wenigen Menschen zuteilt, deren Fehler so weitreichende Folgen haben können, ist ein schlechtes System. Es ist eine Gefahr für die Freiheit, weil es so wenigen so viel Macht gibt, ohne dass diese ‚Wenigen‘ irgendeiner Kontrolle unterliegen. Um Clemenceau zu zitieren: ‚Geld ist eine viel zu ernste Angelegenheit, als dass man es in den Händen von Notenbankern lassen dürfte‘“.

Bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 waren Notenbanken nur selten ein Thema der öffentlichen Diskussion. Inzwischen hat man den Eindruck, dass wirtschaftliches Freud und Leid der ganzen Welt vom Agieren einiger weniger Notenbanker abhängt. Es wird unvermeidbar sein, dass früher oder später die ‚Herrschaft der Notenbanken‘, wie sie derzeit existiert, ein heißes Thema der demokratischen Diskussion werden wird. Und so sollte es auch sein!

Originalveröffentlichung hier.

Mittwoch, 24. September 2014

Bringt Doch Endlich Geld Unter Die Leute!

Selten hat man unter Ökonomen und Finanzjournalisten so viel Einigkeit gesehen, was die Definition der wirtschaftlichen Stagnation in der Eurozone betrifft. Der anerkannte Finanzjournalist Wolfgang Münchau hat das im Der Spiegel folgendermaßen zusammengefasst: „Der Grund für die kontinuierliche wirtschaftliche Stagnation ist eine fehlende Gesamtnachfrage im Euroraum, nicht die Knappheit des Geldes“. Die EZB hat es schon mit mehreren Liquiditätsprogrammen versucht und wird es weiter versuchen. Aber: das Geld kommt einfach nicht bei jenen an, die es ausgeben sollten. Deswegen schlägt Münchau vor, die EU sollte „die Kohle direkt unter die Leute bringen“. Zu diesem Zweck sollte die EU 300 Mrd.EUR aus dem Nichts schöpfen, indem sie sich die 300 Mrd.EUR von der EZB ausleiht, die ihrerseits diese 300 Mrd.EUR aus dem Nichts schöpft. Und dann das Geld natürlich möglichst fair verteilen. Staatsfinanzierung wäre das keine, weil die EU kein Staat ist. Clever!

Und sollte selbst dieser kreative Mechanismus nicht wirken, dann schlägt Münchau die ultimative Waffe vor: Mario Draghi sollte sich höchstpersönlich einen Helikopter mieten und die 300 Mrd.EUR möglichst gleichmäßig auf die Bürger der Eurozone verstreuen. Na dann!

Mir fällt da eine Lösung ein, die mir wesentlich fairer und seriöser vorkommt und ich darf sie – unter Beanspruchung des Urheberrechtes – vorstellen.

Jeder Staat sollte eine neue Staatslotterie ins Leben rufen, bei der die Gewinnchance für die Spieler 80% ist. Jeder, der gewinnen will, muss einen Einsatz machen. No risk, no fun. Aber aufgrund der Gewinnchancen wird auch jeder gewinnen. Das Prinzip „Leistung nur gegen Vorleistung“ bleibt gewahrt. Das Leistungsprinzip soll ja gefördert werden.

Woher nimmt sich der Staat das Geld? Mein Vorschlag wäre, alle Banknotendruckereien aufzufordern, ihre Vorräte massiv zu erhöhen. Dann könnte man dieses Geld unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur Hand nehmen und es den Lotteriegewinnern auszahlen. Das Geld kommt unter die Leute; die Leute geben es aus; die Wirtschaft kommt in Schwung und Überschüsse werden erwirtschaftet.

Und wenn die Überschüsse da sind, dann gibt man das Geld still und heimlich den Banknotendruckereien zurück und deren Inventur wird stimmen!

Montag, 25. August 2014

Das Geheimnis des Euro-Bekenntnisses

Es gehört zum Repertoire seriöser Politiker aus seriösen Parteien, von allfälligen Koalitionspartnern ein klares Bekenntnis zum Euro zu verlangen, sehr oft verbunden mit der Moralkeule, dass ein Zweifel am Euro auch einen Zweifel an der EU, dem bekanntermaßen großen Friedensprojekt, bedeuten würde.

Leider verschweigen diese seriösen Politiker einen wichtigen Teil der Wahrheit, warum sie dieses Bekenntnis einfordern. Für die wirtschaftlich starken Länder wie Deutschland oder Österreich bedeutet der Euro einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den wirtschaftlich schwachen Ländern der heutigen Eurozone. Gäbe es in den Ländern der heutigen Eurozone Lokalwährungen, dann würden beispielsweise eine DM oder ein Schilling deutlich gegenüber den anderen Währungen aufwerten. Aller Wahrscheinlichkeit würden diese Währungen auch gegenüber Drittwährungen aufwerten. Als Ergebnis würden in den wirtschaftlich starken Ländern die Exporte in die Länder der heutigen Eurozone sinken (wahrscheinlich auch die Exporte in Drittländer), die Importe würden steigen (vor allem aus den Ländern der heutigen Eurozone) und das Wirtschaftswachstum würde unter Druck kommen.

Eine ehrliche Aussage seitens der wirtschaftlich starken Länder über das Bekenntnis zum Euro müsste folgendermaßen lauten: „Wir wollen den Euro, weil er uns einen Wettbewerbsvorteil verschafft, den wir ohne den Euro nicht hätten und weil wir für diesen Wettbewerbsvorteil nichts zahlen müssen“. Letzteres stimmt nicht ganz, denn zahlen werden die wirtschaftlich starken Länder früher oder später müssen: entweder, weil sie Kredite an die wirtschaftlich schwachen Länder abschreiben oder weil sie Transfers leisten müssen (oder weil sie weniger exportieren können). Anders geht das nicht in einer Währungsunion von Volkswirtschaften unterschiedlicher Produktivität und Leistungskraft.

Der große europäische Liberale Prof. Ralf Dahrendorf (2009 gestorben als Lord Dahrendorf) hatte 1995 in einem Spiegel-Interview folgendes gesagt: „Das Projekt Währungsunion erzieht die Länder zu deutschem Verhalten, aber nicht alle Länder wollen sich so verhalten wie Deutschland. Für Italien sind gelegentliche Abwertungen viel nützlicher als feste Wechselkurse, und für Frankreich sind höhere Staatsausgaben viel sinnvoller als starres Festhalten an einem Stabilitätskriterium, das vor allem Deutschland nützt. Der Preis (für Italien und Frankreich) ist sehr hoch, und es kann sich schon bald herausstellen, dass er zu hoch ist – psychologisch, politisch und ökonomisch“. Nach dem ersten Euro-Jahrzehnt wusste man, dass man manche Länder nicht zu deutschem Verhalten erziehen kann, vor allem nicht mit einer Währung.

Der weltweit anerkannte Finanzjournalist Ambrose Evans-Pritchard schrieb unlängst in der Financial Times ein Plädoyer, dass „Italien auf sich selbst schauen muss“ und dass der einzige Weg aus der Krise für Italien eine Rückkehr zur Lire ist. AEP erinnerte daran, dass Italien zu Lire-Zeiten oft einen Handelsbilanzüberschuss mit Deutschland hatte und dass sein Industriesektor zu den Großen der Welt gehörte.

Vor diesem Hintergrund ist es schlichtweg fahrlässig, am Dogma „fällt der Euro, dann fällt die EU“ festzuhalten. Der Euro in seiner heutigen Struktur kann nur unter zwei Voraussetzungen langfristig überleben: entweder (a) eignen sich die Südländer (inkl. Frankreich) zügig deutsches Verhalten an oder (b) Deutschland und andere starke Wirtschaften eignen sich südländisches Verhalten an. Keine dieser Voraussetzungen erscheint erfolgsversprechend und eine Mischung zwischen beiden ist weder Fisch noch Fleisch.

Es geht nicht darum, für eine Auflösung der Eurozone zu plädieren. Vielmehr geht es darum, endlich einmal eine ergebnisoffene Diskussion zuzulassen, welche Alternativen es zur heutigen Eurozone geben könnte. Vorschläge von Ökonomen und Finanzjournalisten gibt es genug. Was es noch nicht gibt, ist die Bereitschaft seriöser Politiker aus seriösen Parteien, sich auf eine ergebnisoffene Diskussion einzulassen.

Originalveröffentlichung hier.

Mittwoch, 6. August 2014

Das Leiden der Schweiz an ihrem Erfolg

Arme Schweiz! Bald könnte die Schweiz für weniger erfolgreiche Länder (wie z. B. Österreich) zum Beispiel dafür werden, dass es gar nicht so gut ist, alles richtig zu machen und extrem erfolgreich zu sein. Warum?

Das Vertrauen der Welt in die Schweiz und ihre Währung Franken (CHF) ist aufgrund der Schweizer Erfolge ungebrochen. Mit dem Ergebnis, dass der CHF gewissermaßen eine Fluchtwährung geworden ist. Je unsicherer alle anderen Währungen werden, desto wohler scheinen sich die Inhaber des Geldes mit dem CHF zu fühlen. Nach der Einführung des Euro hatte sich der EUR/CHF Kurs 10 Jahre lang relativ stabil zwischen 1,50-1,60 bewegt. Ein österreichischer Häuslbauer, der Ende der 2000er Jahre seinen Finanzberater fragte, ob es nicht doch riskant werden könnte, sein Vorhaben mit CHF zu finanzieren; ob der CHF nicht vielleicht doch einmal auf 1,20 gehen könnte, hätte mit Sicherheit als Antwort bekommen: „Das ist unmöglich! Da würde doch die Schweizer Exportwirtschaft kaputt gehen!“

Ab 2010 begann die Flucht von anderen Währungen in den CHF und der rasante Anstieg des Wechselkurses setzte ein. Sicherlich nicht wegen der Schweizer Zinsen. Bei 1,20 zog die Schweizer Notenbank (SNB) die Notbremse und verkündete ihre Kursstützungspolitik. Auch hier war die Schweiz wieder anders. Andere Länder verstehen i.d.R. unter einer Kursstützungspolitik, die eigene Währung vor der Abwertung zu schützen. Die Schweiz musste ihre eigene Währung vor der Aufwertung schützen! Um dies zu bewerkstelligen, musste die SNB anderen ihre Devisen, die sie nicht mehr haben wollten, abkaufen und sie mit CHF, die die anderen haben wollten, bezahlen. Die SNB musste also CHF drucken nicht um ein Budgetloch zu füllen, sondern um dem Bedarf nach CHF seitens der Investoren nachzukommen. Im Endergebnis bedeutet dies jedoch, dass CHF gedruckt wurden. 

Seit 2010 hat die SNB rund 450 Mrd.CHF gedruckt, um anderen ihre Devisen abzukaufen. Die Devisenreserven der SNB (mit gedruckten CHF finanziert) machen bereits mehr als 80% der Bilanzsumme der SNB aus und fast ¾ des Schweizer BIP. Während die Bilanzsumme anderer Notenbanken (Fed, EZB) selbst in Krisenzeiten bei 25-30% des BIP liegt, ist die Quote der SNB schon nahezu 90%! Nicht alle Investoren lassen die gekauften CHF auf der Bank liegen. Viele investieren das Geld in Sachwerte wie z. B. Immobilien. Erste Fragen werden gestellt, ob sich die Schweiz vielleicht bereits in einer Immobilienblase befindet. 

Das viel größere Problem sind jedoch die Devisenreserven im Gegenwert von rund 450 Mrd.CHF. Sollte die SNB ihre Kursstützungspolitik einmal nicht durchstehen und sollte anschließend der EUR/CHF Kurs auf 1:1 gehen, dann wären rund 80 Mrd.CHF an Volksvermögen durch Wertberichtigungen bei den Devisenreserven der SNB vernichtet (tatsächliche Verluste würden allerdings erst entstehen, wenn die SNB Devisenreserven bei 1:1 verkauft). Außerdem hätte dann die Schweizer Exportwirtschaft genau jenen überteuerten CHF, den man vermeiden wollte. Nachdem die SNB das Geldmonopol für den CHF hat, könnte sie natürlich ihre Kursstützungspolitik auf ewig durchstehen: sie müsste einfach auf ewig CHF drucken und Devisen kaufen. Je mehr sie allerdings davon tut, desto größer wird ein allfälliges Abwertungsrisiko, falls sie die Kursstützungspolitik doch aufgeben müsste. Und übrigens: hat Gelddrucken nicht auch etwas mit Inflation zu tun? 

Die SNB gibt sich hoffnungsvoll, dass sich dieses Problem von selbst lösen wird. Ab 2015 erwartet sie einen Zinsanstieg in anderen Währungen relativ zum CHF. Dann würden, so die Logik, Investoren CHF wieder gegen Devisen verkaufen und die Devisenreserven der SNB und die CHF Geldmenge würden von selbst wieder auf ein vernünftiges Niveau sinken. Durchaus möglich. Oder auch nicht. 

Man lasse z. B. die Euro- oder andere Krisen wieder aufflammen. Könnte es dann möglicherweise zu einer erneuten Flucht in den CHF kommen? Wenn ja, dann müsste die SNB entweder massiv CHF drucken, um Devisen zu kaufen und den Wechselkurs zu halten oder sie gibt ihre Kursstützungspolitik auf und lässt den Kurs durch die Decke rasseln mit dem Ergebnis eines massiven Bewertungsverlustes und einem teuren CHF für die Exportwirtschaft. 

Je erfolgreicher die Schweiz als kleines Land inmitten der Eurozone wird, desto mehr wird sie Gefangene ihres Erfolges. Nicht nur, dass Bürger aus anderen Ländern in die Schweiz wollen, sondern auch die Währungen anderer Länder. Und je mehr von beiden geschieht, desto mehr Risiken wird sich die Schweiz aussetzen müssen. Da ist doch ein Land wie Österreich bestens beraten, nicht so erfolgreich wie die Schweiz werden zu wollen! 

Übrigens: der CHF ist heute rund 25% teurer als vor 4 Jahren. Trotzdem rast die Schweizer Exportwirtschaft von Rekord zu Rekord und der Leistungsbilanzüberschuss der Schweiz ist, gemessen am BIP, fast doppelt so hoch wie jener Deutschlands. Könnte es sein, dass der Schweizer Erfolg vielleicht doch aus mehr besteht als nur Schwarzgeld-Banken?

Originalveröffentlichung hier.

Mittwoch, 28. Mai 2014

Der Planet der Banken

Robert Jenkins, prominenter Finanzexperte, nannte jüngst in einer Rede vor der New York Society of Security Analysts folgende bemerkenswerten Kennziffern (alle in USD) über das weltweite Finanzsystem: Chinas Devisenreserven – 3,6 Billionen; US Fed Bilanzsumme – 4 Billionen; täglicher Devisenumsatz – 5 Billionen; US Staatsschulden – 17 Billionen; weltweite Finanzvermögen – 80 Billionen; weltweite nominale Derivativvolumen – 700 Billionen. 1980 entsprach der Finanzsektor innerhalb der OECD 10% des Wirtschaftsproduktes. 2007, vor Beginn der Finanzkrise, waren es 30%. Der tägliche Umsatz von Finanztransaktionen entsprach alleine in den USA 1970 2-x GDP, 1980 6,4-x GDP und im Jahr 2000 52-mal GDP. Solche Dimensionen machen ein System extrem anfällig, weil schon geringe Veränderungen gewaltige Auswirkungen haben. Sollte nur 1% der Derivatkontrakte schiefgehen, sind 7 Billionen vernichtet. Sollte China seine Auslandsreserven um 10% reduzieren, würde dies 360 Mrd. an Einkaufsvolumen und Umsatz bedeuten. Bestehende Richtlinien erlauben Banken eine Leverage von 33:1; d. h. eine Bank, deren Aktiva um nur 3% abwerten, hat 100% ihrer Eigenmittel verloren. Wohin soll das führen?

Tatsache ist, dass der Mensch von Finanztransaktionen alleine nicht leben kann. Angenommen, 1.000 Schiffbrüchige landen auf einer unbewohnten Insel. Das mitgebrachte Bargeld wird ihnen nur dann nutzen, wenn jemand unter ihnen bereit ist, für dieses Bargeld eine Leistung zu erbringen. Wenn sich alle nur gegenseitig Geld austauschen, werden sie früher oder später verhungern.

Der Finanzsektor ist nicht in dem Sinn parasitär, dass er möglicherweise keine reale Wertschöpfung bringt. Im Gegenteil: er schafft Beschäftigung und steuerpflichtige Einkommen, d. h. er schafft Einkommen für den Staat und Kaufkraft. Die Frage ist jedoch, was ist die Quelle dieser Staatseinkommen und Kaufkraft? Angenommen, Investment Bank A vermittelt die Fusion von Firmen B und C und erhöht dadurch den fusionierten Shareholder Value um 100. Es erscheint nur fair, dass die Investment Banker dafür eine Provision von 10 als Einkommen erhalten, das sie versteuern müssen und in der Realwirtschaft ausgeben können. John Maynard Keynes lässt grüßen. Für die Schiffbrüchigen auf der unbewohnten Insel würde dieses System nicht funktionieren!

Ein Finanzsektor hat vielerlei Aufgaben. Idealerweise würde er immer für Wachstum in der Realwirtschaft sorgen. Auf jeden Fall sollte er jedoch stabil sein, vor allem, wenn seine Größe Dimensionen annimmt, wie man sie derzeit vorfindet. Ein instabiler Finanzsektor kann die Realwirtschaft nachhaltig beschädigen.

Prof. Jenkins plädiert für eine Einschränkung des Verschuldungsgrades („Leverage“) im Finanzsektor. Je niedriger die Leverage, desto höher der Sicherheitspuffer, mit dem der Finanzsektor allfällige Einbrüche aus eigener Kraft bewältigen kann. Dies ist Wasser auf die Mühlen von Hellwig/Admati, die das gleiche Argument in ihrem Buch „Des Bankers neue Kleider“ gemacht haben. Am Beispiel der Deutsche Bank, die derzeit eine Leverage von 33:1 hat: würden nur 3% ihrer Aktiva wertlos werden, wären ihre Eigenmittel von 56 Mrd.EUR vernichtet. Hätte die Deutsche Bank eine Leverage im Ausmaß jener Leverage, die die Deutsche Bank von ihren Kunden verlangt (20-30% Eigenmittel), dann würde sie einen Verlust von 3% ihrer Aktiva kaum spüren.

Gegner von erhöhtem Eigenkapitalerfordernis im Finanzsektor führen immer 2 Argumente ins Feld: Banken verdienen nicht genug, um dieses Eigenkapital selbst zu verdienen und es gibt nicht genug Anlagekapital im Markt, um alle Banken mit erhöhtem Eigenkapital auszustatten. Wenn dem so ist, dann muss man daraus ableiten, dass der Finanzsektor einer Strukturbereinigung bedarf. Dann gibt es offensichtlich mehr Banken, als die Marktwirtschaft im freien Wettbewerb mit ausreichenden Gewinnen und ausreichenden Eigenmitteln ausstatten kann. Dann sollte man an den Spruch „weniger ist mehr!“ denken.

 Originalveröffentlichung hier

Robert Jenkins, prominenter Finanzexperte, nannte jüngst in einer Rede vor der New York Society of Security Analysts folgende bemerkenswerten Kennziffern (alle in USD) über das weltweite Finanzsystem: Chinas Devisenreserven – 3,6 Billionen; US Fed Bilanzsumme – 4 Billionen; täglicher Devisenumsatz – 5 Billionen; US Staatsschulden – 17 Billionen; weltweite Finanzvermögen – 80 Billionen; weltweite nominale Derivativvolumen – 700 Billionen. 1980 entsprach der Finanzsektor innerhalb der OECD 10% des Wirtschaftsproduktes. 2007, vor Beginn der Finanzkrise, waren es 30%. Der tägliche Umsatz von Finanztransaktionen entsprach alleine in den USA 1970 2-x GDP, 1980 6,4-x GDP und im Jahr 2000 52-mal GDP. Solche Dimensionen machen ein System extrem anfällig, weil schon geringe Veränderungen gewaltige Auswirkungen haben. Sollte nur 1% der Derivatkontrakte schiefgehen, sind 7 Billionen vernichtet. Sollte China seine Auslandsreserven um 10% reduzieren, würde dies 360 Mrd. an Einkaufsvolumen und Umsatz bedeuten. Bestehende Richtlinien erlauben Banken eine Leverage von 33:1; d. h. eine Bank, deren Aktiva um nur 3% abwerten, hat 100% ihrer Eigenmittel verloren. Wohin soll das führen?
Tatsache ist, dass der Mensch von Finanztransaktionen alleine nicht leben kann. Angenommen, 1.000 Schiffbrüchige landen auf einer unbewohnten Insel. Das mitgebrachte Bargeld wird ihnen nur dann nutzen, wenn jemand unter ihnen bereit ist, für dieses Bargeld eine Leistung zu erbringen. Wenn sich alle nur gegenseitig Geld austauschen, werden sie früher oder später verhungern.
Der Finanzsektor ist nicht in dem Sinn parasitär, dass er möglicherweise keine reale Wertschöpfung bringt. Im Gegenteil: er schafft Beschäftigung und steuerpflichtige Einkommen, d. h. er schafft Einkommen für den Staat und Kaufkraft. Die Frage ist jedoch, was ist die Quelle dieser Staatseinkommen und Kaufkraft? Angenommen, Investment Bank A vermittelt die Fusion von Firmen B und C und erhöht dadurch den fusionierten Shareholder Value um 100. Es erscheint nur fair, dass die Investment Banker dafür eine Provision von 10 als Einkommen erhalten, das sie versteuern müssen und in der Realwirtschaft ausgeben können. John Maynard Keynes lässt grüßen. Für die Schiffbrüchigen auf der unbewohnten Insel würde dieses System nicht funktionieren!
Ein Finanzsektor hat vielerlei Aufgaben. Idealerweise würde er immer für Wachstum in der Realwirtschaft sorgen. Auf jeden Fall sollte er jedoch stabil sein, vor allem, wenn seine Größe Dimensionen annimmt, wie man sie derzeit vorfindet. Ein instabiler Finanzsektor kann die Realwirtschaft nachhaltig beschädigen.
Prof. Jenkins plädiert für eine Einschränkung des Verschuldungsgrades („Leverage“) im Finanzsektor. Je niedriger die Leverage, desto höher der Sicherheitspuffer, mit dem der Finanzsektor allfällige Einbrüche aus eigener Kraft bewältigen kann. Dies ist Wasser auf die Mühlen von Hellwig/Admati, die das gleiche Argument in ihrem Buch „Des Bankers neue Kleider“ gemacht haben. Am Beispiel der Deutsche Bank, die derzeit eine Leverage von 33:1 hat: würden nur 3% ihrer Aktiva wertlos werden, wären ihre Eigenmittel von 56 Mrd.EUR vernichtet. Hätte die Deutsche Bank eine Leverage im Ausmaß jener Leverage, die die Deutsche Bank von ihren Kunden verlangt (20-30% Eigenmittel), dann würde sie einen Verlust von 3% ihrer Aktiva kaum spüren.
Gegner von erhöhtem Eigenkapitalerfordernis im Finanzsektor führen immer 2 Argumente ins Feld: Banken verdienen nicht genug, um dieses Eigenkapital selbst zu verdienen und es gibt nicht genug Anlagekapital im Markt, um alle Banken mit erhöhtem Eigenkapital auszustatten. Wenn dem so ist, dann muss man daraus ableiten, dass der Finanzsektor einer Strukturbereinigung bedarf. Dann gibt es offensichtlich mehr Banken, als die Marktwirtschaft im freien Wettbewerb mit ausreichenden Gewinnen und ausreichenden Eigenmitteln ausstatten kann. Dann sollte man an den Spruch „weniger ist mehr!“ denken. (Robert Jenkins: Systemic Risk and the Investment Professional)
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Donnerstag, 8. Mai 2014

So Eine Sauerei mit den Bankenprüfern!

"Die Vorgehensweise der FMA sei „eine Sauerei“, die er, Pröll, sich nicht gefallen lasse; Pribil habe es allein der ÖVP zu verdanken, dass er in der Notenbank sitze, ohne Partei wäre er „nichts“. Pribil stand auf, um Pröll zu beruhigen, was diesen allerdings noch mehr aufbrachte. Pröll drohte: Er werde dafür sorgen, dass Pribil nicht mehr lange in der Notenbank sitze; und überhaupt werde er dafür sorgen, dass Pribil und Helmut Ettl (FMA-Vorstand seit 2008) in diesem Land keinen Job mehr bekämen".

Der NÖ Landeshauptmann Erwin Pröll verliert laut PROFIL seine Geduld, weil ein Bankenprüfer persönliche Undankbarkeit an den Tag legt.