Sonntag, 15. Dezember 2013

Ist es unfair, wenn Sebastian Vettel dauernd gewinnt?

Die Begeisterung über die neue Regierung bzw. über das neue Regierungsprogramm hält sich in Grenzen. Kritik hagelt es von allen Seiten, auch aus den eigenen Parteireihen. Man vermisst die ‚großen Reformvorhaben‘.

Der oberflächliche Beobachter gewinnt den Eindruck, dass die Überzeugung herrscht (auch bei Nicht-Regierungsparteien), dass nicht nur der ‚Papa‘, sondern auch der Staat alles zum Guten richten kann. Dies scheint keine Minderheitsmeinung mehr zu sein. Wenn dem so ist, dann gilt es, sie zu akzeptieren.

Gegner eines ‚zu großen Staates‘ behaupten, dass das auf Dauer nicht gut gehen kann. Auf Dauer wird dem Staat das Geld anderer Leute ausgehen. Das ist zwar nicht ganz falsch, aber – Österreich betreffend – auch nicht ganz richtig. Die österreichischen Privatvermögen sind so hoch, dass sie noch sehr, sehr lange herhalten können, um den Staat zu finanzieren. Es ist nur eine Frage, wie der Staat an diese Privatvermögen herankommt – elegant oder weniger elegant.

So sehr die finanziellen Argumente gegen einen überbordenden Staat herhalten, sie sind m. E. die falschen Argumente. Der Staat wird noch sehr, sehr lange beweisen können, dass ihm elegante oder weniger elegante Wege, an die Privatvermögen heranzukommen, einfallen. Und das alles mit dem Killer-Argument, den sozialen Frieden zu erhalten.

Die viel stärkeren Argumente gegen einen überbordenden Staat liegen im Bereich der soziologischen Aspekte. Eine Gesellschaft, die bei ihren Bürgern eine Mentalität züchtet, dass der Staat – ungeachtet ökonomischer Realitäten – alles richten kann, wird früher oder später an gesellschaftlicher Qualität verlieren. Der Begriff ‚Fairness‘ ist ein ganz wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Qualität, sei es eine Familie, sei es eine Firma, sei es das ganze Land. Fairness kann nur dort wahrgenommen werden, wo es einen – ich betone – ‚vernünftigen‘ Wettbewerb von Meinungen und Leistungen gibt und eine entsprechende Würdigung der besseren Meinungen und Leistungen. Niemand kann absolute Fairness garantieren; auch kein Staat.

Man kann jedoch das Bekenntnis zum Ausdruck bringen, dass man sein Möglichstes tun wird, um Fairness zu gewährleisten. Dieses Bekenntnis bringt die neue österreichische Regierung (leider) nicht zum Ausdruck. Stattdessen redet sie über soziale Gerechtigkeit.

Fairness kann leider nicht vom Staat dekretiert werden (selbst wenn er die Verfassungsmehrheit hat). Nur der vernünftige und transparente Wettbewerb von Meinungen und Leistungen kann gewährleisten, dass am Ende die besseren Meinungen und Leistungen herauskommen (und gewürdigt werden). Der vernünftige und transparente Wettbewerb ist gewissermaßen das Regulativ, dass wahrgenommene Unfairness nicht entsteht.

Wenn Sebastian Vettel andauernd Formel 1 Rennen gewinnt, dann werden das seine Mitbewerber nicht als unfair betrachten, solange sein Erfolg am besseren Auto und am besseren Fahrer liegt. Sollte jedoch sein Erfolg an besseren Beziehungen zu Bernie Ecclestone wahrgenommen werden, dann würde es Neid, Frust und Auflehnung geben. Neid gehört zu den negativsten Charakteristiken einer Gesellschaft, weil er eben negativ ist. Neid kann nur dadurch vermieden werden, dass man sich nicht übervorteilt fühlt. Der Vierte im Abfahrtslauf wird über seine Blechmedaille enttäuscht sein, er wird sich aber nicht als unfair behandelt fühlen, weil das transparente Zeitergebnis dagegen spricht.

Kann ein Staat Fairness in der Gesellschaft, d. h. vernünftigen Wettbewerb von Meinungen und Leistungen, gewährleisten? Er könnte es, wäre es ‚ein Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört‘ (Alexander Rüstow). Sozusagen ein Staat, wie sich möglicherweise Plato einen Staat vorgestellt hat.

In Parteiendemokratien ist dies dadurch behindert, dass Parteien per definitionem Interessensvertretungen sind. Parteien tendieren dazu, den vernünftigen Wettbewerb von Meinungen und Leistungen nicht zuzulassen, wenn dieser gegen die Interessen ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen Wähler geht.

Gegner des vernünftigen Wettbewerbs von Meinungen und Leistungen werden behaupten, dass dieser zu einem brutalen ‚survival of the fittest‘ führt, wo alle anderen in der sozialen Kälte enden, wo sich keine Gesellschaft um sie kümmern würde. Menschen könnten sich keine Krankheit erlauben, weil es keine leistbare medizinische Versorgung gäbe. Arbeitslose würden am Hungertod sterben, weil sie keine Unterstützung bekämen.

In Wirklichkeit ist dies eine fahrlässige Fehlinterprätation des vernünftigen Wettbewerbs von Meinungen und Leistungen. In einer modernen, verantwortungsvollen Gesellschaft sollte niemand mangelnde medizinische Versorgung oder sogar den Hungertod fürchten. Eine faire Gesellschaft (nennen wir sie eine ‚soziale Marktwirtschaft‘) würde dies nie zulassen.

“Möge der Beste gewinnen!” heißt es bei Olympia. Es heißt nicht „Möge der Verlierer kaputt gehen!“ Wie würde man dies auf Österreichisch übersetzen? Vielleicht „Dank der Partei geht es mir gut“? Oder vielleicht sogar „Ohne die Partei wäre ich gar nichts“?

Ich behaupte, dass es für eine Parteiendemokratie nur dann möglich ist, die soziale Qualität einer Gesellschaft zu verbessern, wenn sie den vernünftigen Wettbewerb von Meinungen und Leistungen nicht nur zulässt, sondern ihn auch fördert – auch in der eigenen Partei. Solange dies nicht erkennbar ist, ist die Vergrößerung des Staates eine Gefahr für die soziale Qualität einer Gesellschaft.

Und was sagt die Neue Regierung dazu? Soweit ich erkennen kann, gar nichts. Selbst eigene Parteimitglieder, die andere Meinungen vertreten, werden mundtot gemacht.

Originalveröffentlichung hier.

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